Sonntag, 16. Januar 2011

Odyssey am Freitag

Endlich war der Tag da, auf den alle schon so lange gewartet hatten. Freitag und damit der letzte Tag der Prüfungen (eine halt bei mir, plus ein Essay, was ich mehr oder weniger schweißtreibend innerhalb einer Woche auf das virtuelle Papier meines Laptops geklatscht hatte). Ich hatte ein wenig Bammel vor dem einstündigen Examen, da ich am Vorabend merkte, dass zehn Vorlesungen mit rund 160 Folien dann doch nicht einfach mal innerhalb von drei Stunden auswendig gelernt werden können. Durch das voranschreitende Alter lässt meine Gedächtnisleistung wohl merklich nach, so dass ich mir immer weniger Sachen behalten kann. Ich bin auch froh, dass meine Eltern ihre Namen in den Emailadressen tragen, so dass ich diese bei einem Anschreiben immer vor Augen habe. Frühe Demenz hat eben noch niemanden verschont!

Ich war voller Vorfreude auf diesen Tag, schon seit Jahren, wollten Jon und ich doch den ganzen Abend über Videospiele spielen, Whiskey trinken und Videospiele spielen. Es kam alles anders, als geplant ...

Beim Test angekommen, war Marc bereits voller Vorfreude auf den Abend und zeigte mir eingängig mit Biergesten, was er geplant hatte. Alle anderen hatten mehr oder weniger Angst und auch ich musste vor Aufregung, bevor ich das Haus verließ, dann doch noch mal für kleine Buben.
Der Test, um es kurz zu machen, bestand in auskotzen von Auswendiggelerntem auf insgesamt sechs Seiten. Nur bei einer Frage war Hirnschmalz gefordert und eine Anpassung von Lernstoff an einen Fall war der Wunsch unserer Dozentin. Sogar eine Definition mit Lücken gab es, in der wir die exakten Wörter eintragen mussten.
Also Universitätsluft hat auch schon mal frischer und intelligenter gerochen.

Ich kam nicht umhin, mit Connor, Maria und Marc auf ein kurzes Bier ins Hangcock zu gehen. So ein Semesterabschluss will ja auch gefeiert werden.
Aus einem Bier wurden drei und ich begab mich danach in die Stadt, um ein paar Erledigungen zu erledigen und zwischen Texten mit Jon kam irgendwie heraus, dass dieser gegen Abend noch um die Häuser ziehen wollte, so dass wir das Zocken auf davor und danach legten.
Zu Hause knallte ich mir eine Ladung Spaghetti mit, von Jamie Oliver selbst zubereitetem, rotem Pesto, ins Gesicht. Ich fühlte mich schon ein bisschen ausgelaugt und biergetüncht, so dass ich diesem lieber noch schnell einen Riegel vornageln wollte.

Jon kam dann später, als erwartet und wir legten mit einem Bier und Red Dead Redemption los. Also Jon legte los, um das genau zu benennen. Schon beim Öffnen der Tür hatte ich das Gefühl, dass der gute ein wenig nervös ist und als ich ihm den Controller übergab, bestätigte sich dieser flüchtige Eindruck. Jon wirkte wie ein fünfjähriger Bursche, dem man gerade eben gezeigt hatte, wie man mit einer Zwille Vögel aus den Bäumen schießen kann und welcher nun seine erste, eigene Zwille geschenkt bekommt. Während des Spielens fielen dann abstandsweise Kommentare wie "Oh my god, this game is so awesome", "I've been waiting all life long to play something like that", "I could go hunting and drinking for a day without getting bored", "It's such a good game", "We have to play everyday", "I would love to be a Cowboy in the good old times" oder "Have you seen that? I just killed this bunch of bastards!". Jon ist aktuell auch ein Spieler, der wirklich eine Stunde damit verbringt, bei diesem Spiel Rehen hinterherzureiten, Coyoten und Adler zu jagen und unterwegs zum Saloon zu reiten, um sich Whiskey nach Whiskey zu bestellen und sich dann zu ärgern, dass die eigene Spielfigur nicht richtig betrunken wird.
Eigentlich macht Jon in RDR genau das, was er daheim auch jeden Tag tun würde: Waffen abfeuern, trinken und ob man rauchen kann, weiß ich noch nicht, aber er würde es jedenfalls tun. Kein Wunder und wenig verwunderlich also, dass er gebannt vor der Flimmerkiste sitzt und noch nicht mal Zeit hat, sein Bier zu trinken. Ich bin mir nicht sicher, ob er mit offenem Mund spielt, ich fand sein Spielen hat etwas intim-verletzliches, so dass ich mir den Anblick erspart habe und nicht weiter in seine Privatspähe vorgedrungen bin.

Mit dem Besuch beim örtlichen Dönerladen konnte ich ihn dann von der PS3 fortlocken und dort gab es "Donner Kebab", warum das hier auch immer so heißen muss. Der Donner war ein schiffartiges Brot in einer Styroporbox (zum Mitnehmen natürlich), welches mit Fleisch, Rotkraut, Weißkraut und Zwiebel überschüttet wurde. Ich habe noch nie das Achtel einer Zwiebel in meinem bisherigen Leben in einem Gericht gehabt, aber in England bietet sich ja ständig eine Attraktion am Straßenrand an! Stinkend und schmatzend machten wir uns auf den Weg zur Metro und nach Jesmond, wo wir Maria und Marc treffen wollten.

Dort angekommen liefen wir dank meines mittlerweile unglaublichen schlechten Orientierungssinns (Erstens das Alter, zweitens einen Namen in einer SMS für einen anderen gehalten und nicht weiter nachgefragt, also drittens mit Orientierung eigentlich null zu tun) rund 20 Minuten durch die Gegend, bis wir dann im Belise ankamen. Zum Laden selber äußere ich mich hier gar nicht mehr. Na doch, in drei Worten: Schlampen, Beleidigungs"musik" und Spackomaten. Das muss reichen, mehr gibts nicht und das hat das Belise ganz genau so verdient und keinen Deut anders.
Im Belise gab es nun genau ein Bier, da wir nach einer kurzen Zigarette an der frischen Luft nicht mehr hineindurften. Das hatte sich mehr als nicht gelohnt, aber Jon hatte natürlich schon Alternativideen.

Mit der Metro ging es in die Innenstadt und zu unserer Studienkollegin Lindsay ins Wohnheim, wo wir ohne Bier aufschlugen, weil Läden die bis 10 Uhr offen haben, um fünf nach 10 halt nunmal geschlossen sind. Das ist so, da muss man nicht lang drumherumdiskutieren.
Bei Lindsay gab es ein Bier, unsere allgemeinwissensdumme Kommilitonin Georgie (ach in Tunesiens gehts rund, wusst ich gar nicht. Gelatine wird aus Knochen hergestellt? Echt? Ist ja voll eklig. Und so weiter und so fort) und ich wollte eigentlich nur noch nach Hause.

Nach unendlich langer Rumsitzerei und kaum Beteiligungen am Gespräch (nur gegen Frankreich habe ich gewettert. Die Vorzüge der Anwesenden am Franzosenland waren, dass es dort gutes Brot gäbe. Ja was denn für Brot bitte???? Diese übergroße Schwanzstange Weißbrot, geschumpfen Baguette, kann man ja nun wirklich nicht als fundamentales Kunstwerk der kulinarischen Erfindungen münzen. Ich warb für Deutschland. Mit richtigem Brot und richtigen Häusern, so nationalistisch musste ich sein) fuhren wir gegen drei oder zwei oder wasauchimmer Uhr wieder zu mir.

Dort ging dann die lustige Spielerei weiter, nachdem wir uns noch der Straßenschilder entledigt hatten, die Jon und Marc eines Abends der Straße entwanden, um damit Schlitten zu fahren, was so eh nie passiert ist. Ich trank weiter, Jon spielte weiter und nachdem ich fast eingeschlafen war, befand es Jon für sinnvoll, sich ein Taxi zu rufen und heimwärts zu entschwinden. Ich weiß aber, dass er wiederkommt. Sein Spiel ist ja hier.

Scheißabend insgesamt, also mal ehrlich.


Sonst passierte das Wochenende nicht viel und nun hab ich zwei Wochen frei. Damit meine ich nicht Uni, das wäre vom Wort her dasselbe, sondern wirklich ratzeputze richtig frei und keinen Plan was tun. Zum Glück habe ich Fallout 3 gekauft und so werde ich mit Bier und Kippen ab nun im Blog nur noch berichten, wies im Ödland Amerikas nach einem postapokalyptischen Schlag aussieht. Freude, Leser. Freude!

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen